Geschichte

Kaschmir fasziniert die Menschen schon seit Jahrtausenden
Als eines der wertvollsten und kostbarsten Naturmaterialien der Welt war Kaschmir lange Zeit nur den Königen und Kaisern vorbehalten. Der geschichtliche Ursprung des Kaschmirs liegt in Srinagar, der Hauptstadt der nord-indischen Provinz Kaschmir und Jammu. Die Stadt ist bekannt für kunsthandwerkliche traditionelle Teppiche und Textilstickereien aus Kaschmirgarnen. Doch wann genau die industrielle Verarbeitung der Kaschmirfaser begann, kann heute niemand genau sagen.
Die Historie führt ins 16. Jahrhundert auf einen fernöstlichen Herrscher mit Vorliebe für außergewöhnliche Textilien zurück: Muhammad Sahir Ud Din Babur, ein Nachkomme Timurs und Dschingis-Khans. Unter seiner Herrschaft entwickelte sich die Kaschmirweberei so gewaltig, dass seinerzeit 60.000 Arbeiter in der nördlichsten Provinz des indischen Reiches mit der Gewinnung und Veredelung der Kaschmirfaser beschäftigt waren.
Der weitere Weg des Kaschmirs führt vom Orient zum Okzident. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gründete ein Großmogul des indisches Reiches zahlreiche Handelsniederlassungen in Europa und brachte so das Kaschmir nach Europa.
Etwa 200 Jahre später machte Kaiserin Eugenie, die Frau von Napoleon III., das feine Kaschmirgewebe in Paris hoffähig. Berichten zufolge war auch Victoria, Königin von England und Kaiserin von Indien, eine erklärte Liebhaberin der edlen Kaschmirschals.
Auch heute gehören Kaschmirprodukte zu den teuersten und begehrtesten Textilien. In den westlichen Ländern begann die industrielle Fertigung erst im späten 18. Jahrhundert. Zu den wichtigsten Erzeugerländern gehören heute China, die Mongolei, Nepal, Pakistan und der Iran.

Die Herkunft
Kaschmirwolle stammt von der Kaschmirziege, die vor ihrer Verbreitung in anderen Regionen nur in den Hochebenen des Himalayas beheimatet war. Die Bergziegen kommen in den Farbschlägen Weiß, Grau, Braun und Schwarz vor. Sie werden in kleinen Herden, meist zusammen mit Schafen aufgezogen. Gegen die extreme Kälte im Winter und die rauen Lebensbedingungen des Hochlandgebirges schützten sich die Tiere durch ein lockeres Vlies aus langem, relativ grobem Haar, dem Grannenhaar. Unter ihm wächst ein sehr weiches, feines, glattes und wärmendes Flaumhaar – das so genannte Duvet, aus dem die Kaschmirwolle gewonnen wird. Besonders kostbar ist die Wolle der Kaschmirziegen aus der Inneren Mongolei. Die einzigartige Wollstruktur verleiht dem Garn – und damit jedem einzelnen Feinstück – seine unvergleichliche Weichheit.
Grundsätzlich gilt, je kälter und länger der Winter war, desto besser und reicher fällt der Ertrag aus dem feinen Flaumhaar aus. Im Durchschnitt produziert eine Kaschmirziege nur etwa 150 bis 200 Gramm Flaumhaar pro Jahr. Dabei reduziert sich das Gewicht der Flaumhaare während des Herstellungsprozesses nochmals um mehr als die Hälfte. Deshalb wird für die Herstellung eines Pullovers die Jahresproduktion von 4 bis 6 Tieren benötigt.
Weltweit gibt es geschätzt nur 100 Millionen Kaschmirziegen. So kommen pro Jahr lediglich 6000 Tonnen Kaschmir auf den Markt. Das entspricht einem Anteil von 0,014% am weltweiten Faserverbrauch. Da verwundert ist nicht, dass Kaschmir zu den wertvollsten und teuersten Naturfasern zählt.
Die Gewinnung von Kaschmir
Im Frühjahr, wenn das Klima im mongolischen Hochgebirge wärmer wird und die Kaschmirziegen ihr Fell verlieren, kämmen die Hirten das Vlies behutsam mit groben Holzkämmen aus. Das dadurch gewonnene Rohprodukt enthält zu mehr als der Hälfte grobes Haar, Schmutz und Wollfett. Um das feine Flaumhaar von diesen unerwünschten Bestandteilen zu trennen, wenden die Hirten heute ausgeklügelte Methoden an. Zudem waschen sie das Haar und sortieren es nach seinen natürlichen Farben. Von dieser Rohware bis zum fertigen Kaschmirgarn ist es wahrlich noch ein langer Weg: Wie in alten Zeiten wird das gesammelte Haar der Kaschmirziegen von Trägern in Säcken und Ballen aus Tierfellen von der Inneren Mongolei über die Gebirgspässe Zentralasiens geschleppt und dann in Karawanen mit Kamelen und Pferden zu Sammelstellen in den Tälern gebracht.
Die beschwerliche Reise dauert monatelang und führt zum Teil über dieselbe Route, von der schon der venezianische Kaufmann Marco Polo berichtete und die Laufe der Jahrhunderte viele Namen hatte. Von der „Jadestraße“ über die „Straße der Kaiser“ bis hin zu dem Namen, unter dem sie heute in aller Welt bekannt ist: die Seidenstraße.
Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass die kostbare Rohware auf dieser fünftausend Kilometer langen Verbindung zwischen dem Fernen Osten und dem Abendland nicht verloren geht. Die Säcke und Ballen wiegen an die 100 Kilo und müssen unterwegs zu den Sammelstellen oft mehrmals umgepackt werden. Erst von dort aus können die modernen Verkehrsmittel und Transportwege genutzt werden, um die Kaschmirwolle zu den Garnherstellern zu bringen.
